Leseprobe Chrom:

 

Basil Bast erfindet den Closomaten

 

 

 

Ich schaute Razzo und Pius bedeutungsvoll an. "Ich weiss, wovon ich spreche, ich war selbst mal Unternehmer."

"Das ist mir neu, Basil!" Razzo blickte mich zweifelnd an.

"Es gibt Dinge ..."

"Erzähl schon!"

"Muss um die sieben Jahre her sein. Drüben in Kalifornien. Aber die Idee kam mir schon im Bad meines ersten amerikanischen Motelzimmers. Ist euch das nicht aufgefallen? Die sanitären Einrichtungen sind grauenvoll! Duschbrausen, Wasserhähne, Lavabos, WC-Schüsseln, Deckel, Rollenhalter - ausnahmslos Beleidigungen fürs Auge. Funktioniert zwar alles einwandfrei, aber ästhetisch eine Zumutung! Ich machte einen meiner Freunde darauf aufmerksam. Der hatte eben sein erstes Drehbuch verkauft und baute sich ein Haus. Er wollte ein Traumbad. Rundwanne, vergoldete Armaturen, den ganzen Ami-Kitsch. Ich redete ihm ins Gewissen und liess mir von Schweizer Herstellern Prospekte schicken. Was er dort sah, hat ihn überzeugt. Ich rief Longo - ihr kennt ihn, damals war er noch im Sanitärgeschäft, das mit der Börse kam später - er solle hier alles Nötige bestellen und mir zum Einkaufspreis abgeben.

Nun, die Probleme kamen beim Einbau. Irgendwie haben wir es trotzdem geschafft. Ich arbeitete immer nachts, in der einen Hand den Schraubenzieher, in der anderen den Telefonhörer. Direktverbindung zu Longo, der mich beriet, wenn ich nicht weiterkam. Zum Ende lag ich nur 3000 Dollar über der Offerte der amerikanischen Konkurrenten!"

"Nur?" fragte Razzo verblüfft.

"So hoch war die Telefonrechnung. Wir verbuchten es als Anfangsinvestition. Mein Freund führte all seine Gäste stolzerfüllt durch das Bad - designed and crafted in Sweden, you know - und die Sache kam ins Rollen. Ich musste schon bald einen Gehilfen einstellen. Matthew, ein Musiker ohne Band und Engagements. Sein musikalisches Talent übertraf sein handwerkliches bei weitem, dafür hatten wir dieselben ästhetischen Vorstellungen. Wir spezialisierten uns auf Gesamtlösungen aus Chromstahl."

"Nicht sehr benutzerfreundlich!" warf Pius ein.

"Die Kundschaft kümmerte das wenig, die putzten nie selber. Uns schon gar nicht, wir hatten nur das eine Ziel: Ein Luxusbad in blitzendem, reinem Chrom, vom Seifenhalter bis zum Toilettenbürstestiel, vom Wannenstöpsel bis zum Zahnputzbecher.

Unsere Chance kam, als mich mein Freund einer bekannten Schauspielerin vorstellte, deren Namen ich nicht nennen möchte. Weshalb, werdet ihr gleich verstehen. Die Frau jedenfalls, nicht mehr ganz frisch, wollte kein Badezimmer, eher einen Jungbrunnen. Ich überzeugte sie von meiner grossen Idee, entwarf ihr einen Tempel der Reinigung und Andacht. Einen Traum in Chrom! In der Mitte des Raumes baute ich einen kleinen Pool ein, der seinesgleichen suchte. Massagedüsen, Wellenwerfer, Unterwasserbeleuchtung ... Die Frau liess sich darin sogar ablichten. Mit einem Papagei auf der Schulter! Fragt mich nicht weshalb, aber das Bild ging um die Welt. Es war die perfekte Werbung!"

"Weshalb sitzt der Scheisshaus-König von Kalifornien dann hier?" Pius war schon immer schwer zu überzeugen gewesen.

"Grössenwahn! Die Versuchung für jeden Unternehmer. Deshalb erzähle ich euch ja die Geschichte. Hütet euch davor! Mein Monument in Chrom reichte der Schauspielerin nicht. Die gute Frau hatte nämlich ein kleines Problem ..." Ich senkte meine Stimme. "... Hämorrhoiden!"

"Nein!" Razzo reichte mir amüsiert ein neues Bier.

"Ich sagte, natürlich könne ich helfen, kein Problem! Matthew und ich gingen zwei Tage in Klausur, dann hatten wir die Lösung. Wir würden eine Pumpe in die Toilette einbauen, deren Wasserstrahl schonender reinigte, als das flauschigste Papier ..."

"Einen Closomaten, meinst du!"

"So nannte man unsere Erfindung später. Die Schauspielerin jedenfalls war von der Idee begeistert. Mehr noch, sie wollte neben dem reinigenden Strahl noch einen desinfizierenden und einen parfümierenden. Weil ich mich mittlerweile für unfehlbar hielt, beschloss ich, alles selber zu basteln. Das Ding musste nicht nur vollständig verchromt sein und spritzen, wie und wo immer sie sich wünschte, sie wollte auch noch das Wasser mittels Knopfdruck auf ein halbes Grad genau temperieren können.

Larry, der Ehemann der Schauspielerin - Nummer sieben, glaube ich - war ursprünglich Bauarbeiter und langweilte sich in der schicken Villa zu Tode. Meine Idee faszinierte ihn. Gemeinsam tüftelten wir herum. Keine einfache Sache: Mal war's zu heiss, mal zu kalt, mal stimmte der Winkel des Strahls nicht ... Nach vier Wochen und zahllosen Fehlschlägen hatten wir es endlich geschafft: Der erste vollautomatische Bast-Chromabtritt war funktionstüchtig!

Wir erklärten der Schauspielerin die Bedienung. Am nächsten Tag hatte Larry die Scheidungspapiere auf dem Tisch und ich eine Millionenklage am Hals. Dabei waren die Verbrennungen nicht der Rede wert ..."

Anfragen für weitere Lesungen ab sofort wieder hier.

 

Die Einzellesungen oder Duolesungen mit Texten, Filmen, Sounds und Polaroids, eignen sich für Bibliotheken, Buchhandlungen, Buchclubs oder Kleintheater. Die komplette Technik wird mitgebracht.

 

Die Einzellesungen und die Liveshows mit der Band starten im Herbst 2021 wieder.

 

Ein Ausschnitt aus der Kritik zur Bibliothekslesung Eschlikon (Thurgauer Zeitung vom 18.3.13):

Urs Augstburger und Monika Schärer lesen feinfühlig, präzise und in geschliffenem Bühnendeutsch. Sie verkörpern ihre Rollen, ummantelt von sanften Klängen. Liebevoll fügen sich ihre Worte in die wunderschöne, wenn auch tragische Geschichte ein und bescheren dem Publikum prickelnde Neugier, Trauer und auch mal einen herzhaften Lacher.